Sonntag, 3. Februar 2008

Parker Irrtumsprobe

Steinbach am Attersee, Familie Wolf 14.09.2007


Liebe Weinfreunde!

Das Ergebnis der sehr interessanten „Parker Irrtumsprobe“ ist für mich, dass Mr. Parker einen großen Teil der Weine korrekt bewertete, dies allerdings mit einer Bandbreite von einigen Punkten auf oder ab. Bei einigen Weinen sehe ich aber eine gravierende Fehlbeurteilung. Hier muss ich kurz ausholen und auf das amerikanische Punktesystem hinweisen, das Robert Parker wie folgt anwendet:

80 – 89 Punkte (above-average)
90 - 95 Punkte (outstanding)
96 – 100 Punkte (extraordinary)

Eine Fehlbeurteilung liegt für mich vor, wenn ein beurteilter Wein in eine höhere oder niedrigere Kategorie gehört. Ich beschränke mich in der Folge darauf, jene Weine zu beschreiben, bei denen – nach meiner Ansicht – ein wesentlicher Irrtum bei Mr. Parker vorliegt oder die sich sonst besonders interessant darstellen.

Generell war in der honorigen und fachkundigen Weinrunde die Tendenz zu spüren, dass Mr. Parker die teilweise in Würde gereiften Weine zu niedrig bewertet hat.



Flight Meursault
Punkte Parker Punkte Kiechl
1999 Meursault Poruzot, Francois Jobard 87 86
1996 Meursault Poruzot, Francois Jobard 89 92+
1999 Meursault Genévrières, Francois Jobard 87 72
2000 Meursault Charmes, Francois Jobard 88 88

Der 1999 Meursault Genévrières, Francois Jobard, wirkte für mich schal und enorm oxidativ.

In die andere Richtung sehe ich den „normalen“ 1996 Meursault Poruzot, Francois Jobard als einen großen weißen Burgunder: würzig, bissig, balsamisch und abgründig. Liebstöckl (!), Melisse und mit zunehmender Oxidation wie „Kalbsbratensaft“. Charakterstark und auf gleicher Ebenen mit einigen weiteren Amorages.


Flight Sassicaia
Punkte Parker Punkte Kiechl
1989 Sassicaia, Magnum 78 89 - 90
1997 Sassicaia 88 93
1981 L’Evangile, Magnum 73 82

Mr. Parker hat grundsätzlich ein Problem mit „Sassicaia“. Der 1989 Sassicaia ist ein außerordentlich eleganter und spannender Wein. In der Nase rieche ich Pilze, grasige Cabernet-Töne und vor allem Tabaksüße. Der Wein (nur) mittelgewichtig, hat aber trotzdem Biss und Extraktsüße. Ganz erinnert mich der 1989er an den legendären 1985er, allerdings mit einer unvergleichlich geringeren Konzentration des Stoffes.
Noch besser ist 1997er, ein außergewöhnlicher Wein mit hervorragender Struktur, saftig, grasig, mehr nach Preiselbeeren als nach Johannisbeeren duftend, hinzu kommt Mineralität.


Flight Haut-Bailly
Punkte Parker Punkte Kiechl
1966 Giscours 74 90
1978 Haut-Bailly 81 85
1985 Haut-Bailly, Doppelmagnum 86 87 - 88

Eine echte Überraschung der Verkostung war der über 40jährige Giscours (kein berühmtes Chateau, sondern nur ein 3erCru aus Margaux). Der Wein präsentiert sich gut strukturiert und charakterstark. Liebstöckl, Champignons, Tabak, gute Säure und labernde Süße harmonieren. Die Sekundärtöne (Tabak und feuchtes Laub) wirken kompakt und angenehm, keinesfalls faulig.

Der 1978 Haut-Bailly hingegen duftet intensiv nach feuchtem Laub und modrigem Waldboden.


Flight Lynch-Bages
Punkte Parker Punkte Kiechl
1975 Lynch-Bages, Doppelmagnum 86 90
1983 Lynch-Bages, Doppelmagnum 88 90

Der 1975er Lynch-Bages ist außerordentlich charakterstark und mineralisch: Der jodsalzige Geruch kombiniert mit Leder- und Tabaktönen ist sehr prägnant und wird mir in Erinnerung bleiben.


Flight Figeac
Punkte Parker Punkte Kiechl
1966 Figeac 85 91
1975 Figeac 87 89
1978 Figeac 85 87
1979 Figeac 83 83

Die gereiften Figeac präsentieren sich alle maximal mittelgewichtig, dafür aber elegant.
Der 1979er hat einen strengen Medizinalton, der 1978er ist pflaumig und riecht leicht harzig. Auch der 1975er hat einen Pflaumen-Powidl-Geruch mit Mentholtönen und salziger Mineralität bei guter Struktur.
Am spannendsten ist allerdings der 1966er: Der Säurebiss ist erstaunlich. Er wirkt durch Limettentöne sehr frisch; in der Nase sind ungetrübte, dichte Tabaktöne ebenso spürbar wie feuchter Buchenwaldboden.


Flight Cheval Blanc
Punkte Parker Punkte Kiechl
1971 Cheval Blanc 84 89
1975 Cheval Blanc 90 90
1981 Cheval Blanc 90 90

Relative Harmonie mit Mr. Parker. Die Cheval Blanc zeigen sich in sehr guter Form: Elegant, gute Struktur, Ausgewogenheit zwischen Extraktsüße und Säure/Tannin-Gerüst. Die Weine sind allerdings leicht bis mittelgewichtig und nicht sehr konzentriert.
1981er Cheval Blanc fällt durch Kirsche- mit Karamell-Vanille-Aromen auf.


Flight d’Yquem, Magnum
Punkte Parker Punkte Kiechl
1973 d’Yquem, Magnum 86 92

Die Nase ist explosiv, geradezu „verstörend bissig“. Enorm charakterstark und abgründig: Stellen Sie sich vor, einen klinisch reinen Operationssaal zu betreten. Die Desinfektionsmittel und die Sauberkeit springen Ihnen in die Nase. Dazu ist der Wein salzig und mineralisch. Am Gaumen spüre ich die typischen „Alt-Brot-Aromen“. Enorm langer Abgang. Mit zunehmender Oxidation finde ich Thymian-Aromen. Dieser Süßwein ist für mich jedenfalls ausgezeichnet.